Mein Jordanienurlaub, oder: „Von wegen es schneit nicht in der Wüste“

Ich war schon immer fasziniert von anderen Kulturen, vom arabischen Raum hatte ich bislang aber wenig gesehen. Dieses Jahr hat sich dann endlich die Möglichkeit ergeben, Jordanien zu besuchen. Eine Rundreise von Amma über Petra und das Wüstental im Wadi Rum, bis in den Süden nach Aquaba. Es war ein Geburtstagsgeschenk meiner Familie für meine Oma und ich würde mit ihr reisen. Die Reise war für Anfang Dezember geplant, aber Klimatabellen zeigten Temperaturen von 10 bis 25 Grad, also dachte ich mir nichts dabei. Weniger Massentourismus und keine brütende Hitze. Meiner meinung nach, hatten wir den perfekten Monat gewählt.

Am 7. Dezember ging es los. Wir landeten in Amman, wo wir die esten beiden Nächte verbringen würden. Unser Guide und Fahrer empfing uns in der Flughalle. Als er uns die Koffer abnahm, warnte er vor dem kalten Wetter. Lachend zogen wir unsere Winterjacken aus. Draußen herrschten milde 15 Grad. Wir waren Österreicher. Was verstand man in Jordanien schon von Kälte?

Am Tag darauf fuhren wir ein Stück weiter nördlich, nach Jerash. Die Landschaft hier war noch etwas grüner und hügeliger. Unter römischer Herrschaft war hier einmal eine Stadt entstanden. Vieles war mittlerweile überbaut worden, aber der antike Kern mit dem gewaltigen Triumphbogen, den Tempeln und Theatern war erstaunlich gut erhalten. Weniger gutes Marketing als Athen, aber genauso eindrucksvoll und weniger überlaufen. Ab und an prasselte leichter Regen auf uns hinunter, aber wir waren begeistert von den uralten Tempelanlagen und noch frohen Mutes. Wir befanden uns im Norden Jordaniens, weiter südlich würde das Wetter besser werden, versprach unser Guide.

Zu dem Zeitpunkt glaubten wir ihm noch.

Das Wetter wurde die nächsten Tage nicht besser. Es regnete, als wir Amman besichtigten und es regnete als wir auf die Aussichtsplattformen des Mount Nebo stiegen, auf dem Moses verstarb, nachdem er das heilige Land erblickt hatte. Eine kurze Wetterpause wurde uns am toten Meer gegönnt. Dort war es kurzweilig sogar warm genug, dass ich mich traute, in dem salzreichen Wasser zu schwimmen. Für fünf Minuten zumindest (und ja, es stimmt, was man sagt. Man schwimmt auf der Oberfläche wie auf einer Luftmatratze).

Am vierten Tag war der Himmel noch immer grau, aber das war uns egal, denn wir waren endlich in Petra angelangt. Petra war eines der Gründe, weshalb ich überhaupt nach Jordanien wollte. Eine Stadt aus rosa Fels, in den Berg geschnitzt wie ein Gemälde. Früher war sie die Handelshauptstadt der Nabatäer gewesen, danach war sie lange Zeit in Vergessenheit geraten. Erst 1812 endteckte ein Schweizer dieses Wunder wieder für die Welt. Am Tag, an dem wir unsere Besichtigung machten, regnete es natürlich wieder, aber das tat unserer Laune keinen Abbruch. Meine Oma und ich verkrochen uns unter einem Schirm und traten den Weg durch die Schlucht Siq an, der einzige Zugang, durch den man Petra erreichen konnte. In der Schlucht waren wir noch relativ geschützt, aber in der Stadt selbst wurde das Wetter immer schlimmer. Der Wind blies durch die Berge und das Wasser kam in Mengen die Steilhänge hinab, sodass sich sogar richtige Wasserfälle bildeten. Die einzigen, die sich außer uns bei diesem Wetter in die gefluteten Schluchten wagten, waren Asiaten in Ganzkörperkondonmen, asonsten hatten wir Petra für uns. Selbst die Beduinen schienen vom Wetter überrascht zu sein. Ein Beduinenmädchen in Sandalen versuchte einen meiner Handschuhe zu klauen. Als der Regen zu stark wurde, nahmen wir eine Pferdekutsche, die uns bis ans Ende der Stadt und anschließend wieder zum Eingang der Schlucht brachte.

Mit so viel Regen hatten wir während unserer Reise wirklich nicht gerechnet. Nach Petra waren wir komplett durchnässt und mussten unsere Kleidung auf Stuhllehnen und über Mülleimerrändern trocknen, damit wir später noch genug zum anziehen hatten.

Die größte Überraschung erwartete uns aber am Morgen. Als wir uns auf dem Weg zum Frühstück machen wollte, starrte ich die weiße Masse in den Ecken voller Unglauben an.

„Wir haben SCHNEE!“, schrieb ich meiner Mutter.

„Wir nicht“, kamp prompt zurück. In Salzburg herrschten acht Grad und Sonne.

Es erschien uns unfair. Die Weihntachtsbeleuchtung der Hotels wie blanker Hohn. Aber nun gut. Es schneite. Wenigstens nicht viel. Von zu Hause waren wir schlimmeres gewöhnt. Wir hatten halbwegs dicke Jacken mit und waren bereit, uns mit dem Wetter zu arrangieren.

Womit wir nicht gerechnet hatten, war die Panik der heimischen Bevölerkung vor ein bisschen weißem Pulver. Bereits am Vortag waren die Straßen verstopft gewesen, weil alle auf einmal zum letzten Bäcker stürmten, der wegen der Kälte noch nicht geschlossen hatte. Schulen und Läden waren dicht gemacht worden, ganze Straßen gesperrt. In Jordanien herrschte Ausnahmezustand. Räumfahrzeuge wie bei uns gab es keine. Winterreifen? Nie gehört. Trotzdem sollte unsere Reise weitergehen. Mittlerweile kamen wir uns wie die einzigen Touristen im ganzen Land vor. Viele Reisebüros hatten die Tours ihrer Kunden storniert. Unser Guide wollte uns das nicht antun, aber es war klar, dass er sich auf offener Straße nicht wohl führte. Er tuckerte mit dreißig km/h Höchstgeschwindigkeit über eine verlassene Straße. Ein Kollege hatte ihn angerufen, ob er denn wahnsinnig sei, bei diesem Wetter zu fahren. Dabei war die Straße frei, nur das Gras links und rechts ein wenig angezuckert. Meine Oma und ich sahen uns verständnislos an. Wir verkniffen uns die Frage, ob wir das Fahren übernehmen sollten.

Im Wadi Rum lag zum Glück kein Schnee. Während unseres einstündigen Kamelritts sahen wir sogar ab und zu die Sonne. Aus der Ferne. Hinter den Bergen. Als wir wieder zurück im Beduinencamp waren, waren unsere Füße steif gefroren. Hotels gab es hier draußen keine. Nicht einmal Straßen. Den letzten Rest der Strecke hatten wir in einem Jeep fahren müssen. Aber genau darum ging es schließlich. Wir würden in einem Beduinenzelt übernachten, was in der Theorie sehr aufregend klang und in der Praxis zur kältesten Nacht meines Lebens wurde.

Unser Guide hatte uns ein warmes Feuer versprochen, aber als wir die Beduinen danach fragten, schüttelten sie den Kopf. Dafür war es zu windig, wir würden ohne auskommen müssen. Im Hauptzelt bemühte man sich, uns trotzdem einen netten Abend zu bereiten, was auch gelang. Es wurde eine große Anzahl heimischer Speisen serviert, anschließend wurde der Boden freigräumt und die Beduinen lieferten sich zu lauter, arabischer Musik ein Tanzduell. Die Tanzeinlagen reichten von Breakdance-Akrobatik bis zu ägyptischem Bauchtanz. Es tanzten allerdings nur die Männer. Frauen bekamen wir im ganzen Camp keine zu Gesicht. Damit man beim Tanzen selbst unter den langen Kutten die rhythmischen Bewegungen ihre Hüften mitverfolgen konnte, banden sich die Männer ihre Kopftücher um. Es war spaßig ihnen zuzusehen, wie sie sich gegenseitig antanzten und unsere Laune hob sich.

Aber die Nacht brach herein und es wurde bald kälter. Bereits beim Abendessen hatten wir zwei Decken gebraucht. Unser Guide rieb sich die Hände und fragte mit hoffnungsvoller Miene, ob wir nicht schon heute nach Aqaba weiterfahren wollten und betete bereits Hotelpreislisten hinunter. Meine Oma und ich waren jedoch fest entschlossen. Komme Wind und Wetter, wir würden in einem Beduinenzelt übernachten!

Wir gingen mit drei Paar Socken und sechs Decken zu Bett. Über uns gefror unser Atem zu weißen Wolken in der Luft. Und ich konnte nicht aufhören zu lachen. Über eine halbe Stunde war ich wie hysterisch. Das nannte man Kälte-Delirium. Ich glaubte, einmal davon gelesen zu haben. Danach erwärmte sich der Raum unter den Decken langsam und wir schliefen sogar überraschend gut.

Der Schock kam am Morgen. Wir waren extra früh aufgestanden, um den herrlichen Wüstensonnenaufgang im Wadi Rum zu erleben. Stattdessen begrüßte uns ein wolkenverhangener Himmel. Es regnete. Schon wieder. In der Wüste! Auf den höchsten Bergen lag sogar Schnee.


Meine Oma und ich konnten es nicht fassen. Niedergeschlagen wollten wir unser Leid den Beduinen klagen, aber diese strahlten vor Freue und bedankten sich. Ihre Gäste hatten den Regen zu ihnen gebracht.

Wir fühlten uns wie verflucht.

Wir hatten für den Tag noch eine Jeep-Tour gebucht. Würde sie überhaupt stattfinden können? Der erste Fahrer tauchte gar nicht erst im Camp auf, aber im Besucherzentrum wartete jemand auf uns, der bereit war, die Tour mit uns zu machen. Also packten wir unsere Koffer und verabschiedten uns. Die Beduinen überreichten uns noch eine Bröschüre ihres Camps. Kamele und eine heiße Wüstensonne hinter einer Berglandschaft bildeten das Logo. Als ich die Broschüre in die Hand nahm, flog eine tote Fliege zwischen den Seiten heraus. Sie war erfroren.

Der Jeep, in dem wir abgeholt wurden, sah nicht so aus, als dürfte er auf offener Straße fahren, aber für unsere Zwecke reichte er vielleicht, dachte ich mir, als wir das Ungetüm zum ersten Mal erblickten. Die Fenster hinten waren dunkel abgeklebt (für wärmere Tage wahrscheinlich…), aus dem Lenkrad war ein gutes Stück herausgerissen worden und drei der vier Türen ließen sich nur von Innen öffnnen. Zudem noch, war der Scheibenwischer kaputt, deshalb war die Sicht beschränkt. „Es regnet hier so selten“, antwortete der Fahrer achselzuckend, als man ihn darauf ansprach. Dabei strömte es immer stärker. Irgendwann sah man vorne gar nichts mehr. Der Jeep bretterte trotzdem ungerührt über Felsen und Sanddünen dahin. Wir machten noch ein paar Mal halt, um die wunderschöne Landschaft zu bewundern, aber als der Regen nicht aufhörte, mussten wir einsehen, dass aus der verlängerten Tour, die wir geplant hatten, nichts wurde und kehrten um. Das war das einzige Mal während meines Urlaubs, das ich das Gefühl hatte, dass das Wetter mir den Urlaub versaute. Auf die Jeep-Tour hatte ich mich richtig gefreut.

Der nächste Halt auf unserer Reise sollte unsere Endstation sein. Aqaba, die Hafenstadt am roten Meer. Meine Oma und ich schlenderten noch ein wenig durch die Straßen und unternahmen eine Fahrt in einem der dort beliebten Glasboote, durch deren Böden man die Unterwasserwelt bewundern kann. Als wir uns am nächsten Morgen auf unsere Heimfahrt vorbereiteten, sahen wir zum ersten Mal einen blauen Himmel. Wir hätten uns geärgert, wenn wir uns nicht schon auf zu Hause gefreut hätten. Wir sollten von Aqaba nach Amman und von dort aus weiter nach München fliegen. So zumindest der Plan. Denn als wir am Flughafen eintrafen, erwarteten uns rote, freundliche Buchstaben mit dem Schriftzug „canceled.“ In Amman hatte es die ganze Nacht geschnien. In Jordanien sprach man vom schlimmsten Wetter seit 25 Jahren. Der Flughafen war gesperrt, niemand kam rein, niemand raus. Der nächste Flieger war für elf Uhr am Abend angekündigt, unser Flug nach München würde dann irgendwann nach Mitternacht statt finden, aber das war uns egal, solange wir nur heimkamen.

Ein weiterer Tag in Aqaba. Nicht besonders schlimm, dachten wir. Zumindest war es warm. Was wir nicht bedachten, war, dass wir keinen Guide mehr hatten. Als wir noch männliche Begleitung gehabt hatten, hatten die arabischen Männer sich nicht mal getraut, uns anzusprechen. Diese Hemmungen fielen jetzt komplett, als wir alleine durch Aqabas Straßen wanderten. Die größte Bedrohung kam in Form von kleinen, grünen Autos: die Taxifahrer. Aqaba war eine kleine Stadt, die man gemütlich zu Fuß durchschreiten konnte, deshalb war es mir unerklärlich wie eine Stadt wie diese so viele Taxis haben konnte. Sie waren überall. Und sie hatten zu wenig Kunden. Wir konnten keine zehn Meter gehen, ohne dass uns nicht mindestens drei Taxifahrer anhupten. „Petra! Wadi Rum! Good Price!“, schrien sie durch ihre Fenstern. Ein paar sprangen sogar vor uns auf den Gehsteig. Ich bekomme nach wir vor Zuckungen, wenn ich irgendwo ein grünes Auto entdecke und will laut „No! Thank you!“ schreien.

Bis zum Abend hatten wir genug. Doch als wir ein weiteres Mal mit unseren Koffern am Flughafen eintrafen, erwartete uns die gleiche Nachricht: „Canceled“. Langsam wurden wir sauer. Die Fluglinie weigerte sich für unser Hotel aufzukommen, also mussten wir selber blechen. Um neun Uhr früh waren wir wieder im Büro der Fluggesellschaft, um die aktuellesten Infos einzuholen, da erfuhren wir, dass der Vormittagsflug schon wieder gecancelt worden war. Wir wollten wissen, ob man uns denn wenigsten zusichern könnte, dass der nächste Flieger am Abend gehen würde. „Inschallah“, sagen die Araber. Wenn Gott will.

Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich die heimischen Straßenkatzen mit Chicken McNuggets versorgte. Ich vermisste meine eigene Katze. Und mein Bett. Taschentücher, die nicht zerrissen, wenn man sie nur anfasste, saubere Toiletten und Taxifahrer, die einen schmalos ignorierten, wenn man ihnen nachwinkte. Wir vertrauten nicht mehr darauf, dass unser Flieger wirklich gehen würde, deshalb nahmen wir uns um fünf Uhr Früh des nächsten Tages ein Taxi nach Amman (unser Glück, die nächsten Flieger wurden wieder gecancelt). Dort herrschte Chaos. Das Flughafenpersonal war restlos überfordert. Einen Flug nach München gab es nicht. Wir würden nach Frankfurt fliegen müssen und dort umsteigen. Mir war alles Recht, solange ich nur nach Europa kam. Unser Flieger war für 12.20 Uhr angekündigt. Dann 13 Uhr. Um halb zwei fragte ich deim Info Desk nach, wann unsere Maschine denn endlich fliegen würde. Die Frau am Schalter lächelte mitfühlend und überreichte mir wortlos einen Essensgutschein. In dem Moment war ich kurz davor, einfach loszuheulen. Ich sah mich bereits, am Flughafen übernachten. Ich wollte nur noch heim.

Unser versprochenes Essen bekamen wir nicht, aber eine halbe Stunde später wurde unser Flug aufgerufen.

Als wir endlich abhoben und ich Amman durch das kleine Flugzeugfenster überblickte, ließ ich nochmal alles Revue passieren. Unser Urlaub war nicht wie geplant verlaufen, aber wir hatten viel erlebt und es war trotz allem eine wunderschöne Reise gewesen. Neben all den Dingen, die ich aus meiner Heimat vermisste, fielen mir nun die Dinge ein, die mir fehlen würden, wenn ich Jordanien hinter mir ließ. Die Tatsache, dass man selbst im schäbigsten Zelt noch ausgezeichneten Tee serviert bekam, die Berge (bei Gott, diese Berge), die Herzlichtkeit der Menschen, der Duft von Kardammon in einer frisch aufgebrühten Tasse Kaffee.

Vielleicht würde ich irgendwann wieder kommen.

Dann aber im Frühling.

1 Kommentar

  1. wooow… hört sich nach einer interssanten Reise an… das mit dem Wetter ist natürlich eine Katastrophe… aber man kann nicht immer Glück haben… ;P

    mit den Airlines… normal… mit den Problemen hab ich fast jeden Tag zu tun….

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Hallo, ich heiße Rebecca Wild, schreibe Bücher, lese viel und gerne und bin selbstständige Grafik Designerin. Ich mag Katzen, Luftschiffe, schöne Notizbücher und Rock Musik. Auf meiner Homepage findet ihr Infos zu meinen Büchern und Buntes aus meinem Leben.

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